
Justizstandort Deutschland – Führungsrolle nach dem BREXIT?
Einen intensiven Tag lang diskutieren die Justizressortchefs des größten und des klimatisch britischsten Bundeslandes – Nordrhein-Westfalen und die Freie Hansestadt Hamburg – mit Fachleuten aus Wirtschaft, Anwaltschaft, Wissenschaft und Justiz um die entscheiden Frage: Welche Weichen muss der Justizstandort Deutschland stellen, um nach dem BREXIT mehr internationale Wirtschaftsverfahren an deutsche Gerichte zu holen?
Bislang trugen international tätige Unternehmen ihre Rechtsstreitigkeiten bevorzugt vor dem weltweit anerkannten Commercial Court of London aus – hier gilt englisches Recht und Englisch als Verfahrenssprache. Im internationalen Rechtsverkehr blieb „made in germany“ hingegen blass. „In Folge des BREXITS muss sich Deutschland dem Wettbewerb stellen“, bekräftigt NRW-Justizminister Peter Biesenbach als Gastgeber des Symposiums.
Großbritanniens Justizminister David Gauke, Hoher Lordkanzler, lässt es sich nicht nehmen, seinen Berlin-Besuch zu einem Statement vor diesem Symposium zu nutzen: „Das Vereinigte Königreich wird auch nach dem BREXIT eng mit Europa verbunden bleiben. Und wir werden weiter hart dafür arbeiten, in internationalen Handelsstreitigkeiten eine gute Adresse zu bleiben.“
Gastgeber Minister Peter Biesenbach nimmt die Konkurrenz an, sportlich, wie er seinem Gast aus Großbritannien versichert: „Es gibt einen internationalen Markt für Konfliktlösung. In Zeiten steigender Mobilität und Internationalisierung müssen sich auch deutsche Gerichte auf diesem Markt beweisen. Wir müssen mit der in- und ausländischen Konkurrenz Schritt halten.“
Denn die Chancen seien prächtig, so Minister Peter Biesenbach: „Immer mehr Konflikte werden international gelöst. Dies bietet die Chance, dass internationale Wirtschaftsstreitigkeiten von Unternehmen künftig nicht mehr vor einem privaten Schiedsgericht oder in London verhandelt werden, sondern wieder vor einem deutschen Zivilgericht landen, das ähnliche Bedingungen bietet wie der Commercial Court in London.“
Konkret benennt Minister Peter Biesenbach sechs Wettbewerbsfaktoren, mit denen der Justizstandort Deutschland potenzielle Streitparteien locken könne:
- professionelle, schnelle und flexible Verfahren – plus Vertraulichkeit des Verfahrens sowie der beteiligten Richter
- die Auswahl der Verfahrenssprachen und die Expertise in mehreren nationalen und internationalen Rechtssystemen
- die Berechenbarkeit des zu erwartenden Urteils anhand bisheriger Rechtsprechung des Gerichts
- die Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit der Entscheidung
- das räumlich-technische Equipment
- und letztlich die Kosten des Verfahrens.
Minister Peter Biesenbachs Hamburger Ressortkollege und Mit-Gastgeber, Justizsenator Till Steffen, ergänzt: „Die deutsche Antwort auf Commercial Courts wird für das Gelingen unseres gemeinsamen Projekts entscheidend sein.“ Und an das Fachpublikum aus Wissenschaft und Rechtsinstanzen gewandt: „Sie sind Teil des Kompetenzpakets, mit dem wir im internationalen Wettbewerb der Rechtstandorte punkten können.“ Justizsenator Till Steffen nennt den „punktuellen Umbau des deutschen Justizwesens unausweichlich. Mut zu Veränderungen ist hier gefragt.“
Botschaft angekommen: Das Fachpublikum verlässt die „Botschaft des Westens“ am Abend entsprechend angeregt und motiviert.