Digital Services Act: Europäisches Parlament stellt seine Position vor

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25. Januar 2022

Digital Services Act: Europäisches Parlament stellt seine Position vor

Online-Diskussion in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union

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Auf Einladung von Dr. Mark Speich, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Internationales des Landes Nordrhein-Westfalen, veranstaltete die Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union am 25.01.2022 eine Online-Diskussion zur Position des Europäischen Parlaments zum Vorschlag für eine Verordnung zum Digital Services Act (DSA). Es diskutierten MdEP Alexandra Geese (Grüne/EFA), Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) und Schattenberichterstatterin zum DSA, sowie MdEP Sabine Verheyen (EVP), Vorsitzende im Ausschuss für Kultur und Bildung (CULT), mit Moderator Torben Klausa (Journalist und Doktorand zu Plattformregulierung, Universität Bielefeld).

 

Hintergrund

Der DSA wird in der EU einen neuen umfassenden Rechtsrahmen für die Digitalwirtschaft schaffen. Der Verordnungsvorschlag, den die Europäische Kommission im Dezember 2020 vorstellte, bietet Bezugspunkte zu verschiedenen Politikbereichen – vor allem zu Wirtschaft, Verbraucherschutz, Justiz und Medienpolitik. Die Online-Diskussionsveranstaltung fand statt, nachdem der Rat am 25.11.2021 seine Allgemeine Ausrichtung beschlossen und das Plenum des Europäischen Parlaments am 20.01.2022 über seine Verhandlungsposition abgestimmt hatten. Nun stehen die Trilogverhandlungen – zunächst unter der französischen Ratspräsidentschaft - an.

 

Im Grußwort betonte Staatssekretär, Dr. Mark Speich, die Bedeutung des Digital Services Act für die „Online-Welt“. Es sei das Ziel, in Europa einen weltweiten Standard zur Regulierung der Digitalwirtschaft zu schaffen. Mit ihrem Verordnungsvorschlag habe die Kommission die Haftungsregeln für Online-Plattformen weiter ausdifferenziert, Meldepflichten bei illegalen Inhalten vorgeschlagen und Transparenz im Umgang mit Inhalten und personalisierter Online-Werbung schaffen wollen. Gleichwohl berge der DSA Risiken für die Medienfreiheit und Medienvielfalt. Denn die Schlüsselrolle der vom DSA betroffenen Online-Plattformen für die öffentliche Kommunikation sei nicht zu vernachlässigen. Staatssekretär Speich verwies auf den Medienstaatsvertrag und unterstrich, dass der DSA die Doppelrolle der Online-Plattformen noch stärker berücksichtigen müsse, um Kollateralschäden zulasten der Medienvielfalt zu verhindern. Prinzipien der Medienregulierung oder die Möglichkeit der Mitgliedstaaten in begründeten Fällen auf nationaler Ebene weiterführende Maßnahmen zu ergreifen, sollten bestehen bleiben.

Auf die Eingangsfrage der anschließenden Diskussion, wie die beiden Panellistinnen das Verhandlungsergebnis des Parlaments zum DSA bewerten würden, zeigte sich MdEP Geese zufrieden. Sie betonte, dass ein guter Rechtsrahmen für digitale Plattformen geschaffen werde, ohne die Meinungsvielfalt einzuschränken. Der DSA biete überdies die Möglichkeit, auch künftig weitere Regulierungen vorzunehmen. MdEP Verheyen zeichnete ein differenzierteres Bild. Sie habe sich in der Schlussabstimmung im Plenum des Parlaments enthalten: Zwar hätten wichtige und richtige Akzente mit der Parlamentsposition gesetzt werden können, aber für den Bereich der Medienpolitik bestünden weiterhin Defizite. Der Schutz der Medienvielfalt wäre nicht ausreichend umgesetzt worden. Exemplarisch verwies sie auf Live-Übertragungen und Urheberrechte.

Die anschließende Diskussion fokussierte insbesondere folgende Themenbereiche: personalisierte Werbung, Transparenzvorschriften, Auswirkungen des DSA auf die bereits bestehende Medienregulierung sowie das Verhältnis des DSA zum nationalen Recht.

Moderator Klausa führte an, dass im Parlament zunächst ein gänzliches Verbot von personalisierter Werbung diskutiert worden sei. In der nun verabschiedeten Position des Parlaments finde sich als Kompromiss ein Verbot personalisierter Werbung bei Minderjährigen sowie der Verwendung von sensiblen Daten von Erwachsenen für personalisierte Werbung. Im Übrigen könnten Erwachsene in die personalisierte Werbung einwilligen (Opt-In). MdEP Geese begrüßte den Kompromiss: Kontextwerbung wäre das bessere Modell zur Finanzierung des Internets als personalisierte Werbung. Zugleich würden der Datenschutz und die Privatsphäre durch die Regelung wiederhergestellt werden, ohne dass Nutzerinnen und Nutzer zusätzliche Zeit investieren müssten. Ferner schütze die Regelung auch den Teilhabeanspruch aller Nutzerinnen und Nutzer an den Plattformen, die keine Daten teilen wollen. Denn bisher bliebe denen nur die Wahl, die Regelungen der Online-Plattformen zu akzeptieren oder diese nicht zu nutzen. MdEP Verheyen sprach sich gegen ein generelles Verbot von personalisierter Werbung aus. Die Marktfreiheit erfasse auch die Möglichkeit, aufgrund personalisierter Werbung tätig zu werden. Hingegen begrüßte sie das Verbot der Nutzung sensibler Daten für personalisierte Werbung. Soweit das Verbot auch Minderjährige betreffe, hätte sie jedoch eine andere Lösung präferiert. Weitergehende Regelungen im Jugendmedienschutz hätten nach ihrer Auffassung einen stärkeren Schutz als der nunmehr gefundene Kompromiss geboten, weil es kritische Werbung verboten hätte und nicht – wie aber das Verbot der personalisierten Werbung – zu einer breiten Streuung eben der führen werde.

Der nächste Punkt in der Diskussion adressierte die in der Parlamentsposition vorgesehenen weitgehenden Transparenzpflichten für Online-Plattformen sowie – als Kompromiss – das Privileg, Geschäftsgeheimnisse nicht veröffentlichen zu müssen. Der Moderator fragte, ob dieses Privileg nicht als „Tor“ seitens der Online-Plattformen genutzt werden könne – bspw. um Kriterien, wie personalisierte Werbung angewendet werde, nicht zu veröffentlichen. MdEP Verheyen verneinte das und verwies darauf, dass der zugrundeliegende Algorithmus und die Kriterien nicht Gegenstand des Geschäftsgeheimnisses seien, sondern vielmehr den Rahmen des unternehmerischen Handelns darstellten. Der Kompromiss biete einen großen Schritt nach vorne, ohne dass dem Markt Innovationen und Entwicklungen offengelegt werden müssten: Einerseits würden kleine Unternehmen und deren Investitionen geschützt, andererseits werde zugleich den Verbrauchern der notwendige Schutz geboten. Aus Sicht von MdEP Geese stelle das Privileg hingegen eben skizziertes Einfallstor dar und werde weitere Rechtsunsicherheit schaffen und Rechtsstreitigkeiten fördern.

In einem nächsten Schritt nahm die Diskussion die konkrete Ausgestaltung der Offenlegungspflichten in den Blick. Es sei eine „schwierige Gradwanderung“, attestierte MdEP Geese, keine zu oberflächliche Offenlegung zu fordern und andererseits die Nutzerinnen und Nutzer nicht zu überfordern, sodass die geschaffene Transparenz für diese auch hilfreich sei. Ziel solle es sein, dass die Daten durch die Wissenschaft analysiert und erforscht werden können, sodass Journalistinnen und Journalisten diese aufbereiten können. Das sei in der bisherigen Parlamentsposition noch nicht ausreichend gelöst. Übergeordnetes Ziel solle es laut MdEP Verheyen sein, dass Nutzerinnen und Nutzer sich aus dem „Schubladendenken“ der Algorithmen lösen können. MdEP Geese zeigte sich insoweit kritisch, ob der DSA diesem Ziel in der Fassung der Parlamentsposition gerecht werden könne. Sie verwies auf die Pflicht, dass die Plattformen ein zweites Empfehlungssystem anbieten müssten. Allerdings wäre das nicht ausreichend im DSA konkretisiert (bspw. eine chronologische Anordnung), um einen tatsächlichen Mehrwert für Nutzerinnen und Nutzer sicherzustellen. Um das „Schubladendenken“ aufzulösen, bedürfe es neben dem DSA womöglich weiterer regulativer Rechtsakte, stellte MdEP Geese in Aussicht.

Daraufhin setzte sich die Diskussion mit der Bedeutung des DSA für die Medienpolitik auseinander. Nachdem zwischenzeitlich eine Ausnahme im DSA diskutiert worden war, nach der Plattformen Inhalte journalistischer Medien nicht moderieren dürften, fasste Herr Klausa den nun in der Parlamentsposition gefundenen Kompromiss mit „Medien sollen angehört werden, bevor Plattformen moderieren“ zusammen. MdEP Verheyen stellte zunächst klar, dass sie sich anstelle einer Regulierung der Medien im Rahmen des DSA lieber eine stärkere Regulierung – so z. B. bei der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste – gewünscht hätte. Denn eine Autoplay-Funktion von YouTube komme einem Fernsehkanal schon sehr nahe. Hingegen passe die nun vom Parlament beschlossene „One-fits-all Lösung“ im DSA nicht: Es müsse zwischen Plattformen wie YouTube und Co. einerseits sowie kleineren Plattformen – z. B. einem kleinen Online-Shop – andererseits unterschieden werden. Die Bedeutung der Medienfreiheit und des Mediencharakters gewisser Plattformen komme im DSA zu kurz. Vor dem Hintergrund warb sie für den Vorschlag des CULT-Ausschusses, der eine Ausnahme bei redaktioneller Verantwortung vorgesehen hätte – also solchen Inhalten, die bereits der Medienkontrolle unterliegen. Das Medienrecht biete genug Regulierungsmöglichkeiten, ohne dass die Plattformen überregulieren müssten. Dies folge bereits aus der demokratischen Bedeutung von Medien. Stattdessen hätte die auf europäischer Ebene vereinbarte Medienregulierung konsequent in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden sollen. In dieser Hinsicht hoffe sie, dass in den anstehenden Trilogverhandlungen die redaktionelle Freiheit und Medienfreiheit nochmal gestärkt würden.

MdEP Geese erwiderte, dass das Geschäftsmodell des Internets nicht nach redaktionellen und anderen Inhalten unterscheide. Die verwendeten Algorithmen förderten insbesondere polarisierende Inhalte – wie Hass, Hetze oder Desinformationen, u. a. auch von RussiaToday. Daher dürften diese Inhalte – gleich welchen Ursprungs – nicht von Faktenchecks ausgenommen werden, sodass eine generelle Ausnahme für Medieninhalte verfehlt wäre. Den nun gefundenen Kompromiss einer Anhörung der Medienanstalten begrüßte sie hingegen.

Im letzten Abschnitt widmete sich die Diskussion dem Verhältnis von nationalen Regelungen im digitalen Bereich zu den Regelungen des DSA. Konkret stellte der Moderator die Frage, welche Bedeutung künftig das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) und der Medienstaatsvertrag haben werden. MdEP Geese stellte insoweit den Vollharmonisierungsanspruch des DSA heraus, um die Bedeutung der europäischen Regelungen – auch gegenüber den großen Online-Plattformen – sicherzustellen. Das NetzDG müsse vor diesem Hintergrund überprüft werden. Der Koalitionsvertrag der deutschen Bundesregierung sehe aber vor, dass ergänzend zum DSA ein weiteres Gesetz verabschiedet werden soll, um Nutzerinnen und Nutzer vor Gewalt und Hassrede besonders zu schützen. MdEP Verheyen stufte die Vollharmonisierung des DSA bezüglich aller seiner Regelungen hingegen als schwierig ein. Denn in Grenzbereichen – wie bei Kompetenzen im Medienrecht oder dem Jugendschutz – bedürfe es schon aufgrund der kulturellen Unterschiede und Vielfalt nationaler Regelungen. Grundsätze sollten aber auf europäischer Ebene geregelt und vollharmonisiert werden, um ein gemeinsames Wertegerüst zu vereinbaren.

Von Seiten der Zuschauer wurde die Frage gestellt, ob künftig den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder der staatlichen Regulierung mehr Bedeutung zukomme. MdEP Geese verwies auf die derzeitig willkürliche Moderationspraxis von Facebook, die keine Rücksicht auf Inhalte nehme. Der DSA sehe daher vor, dass die AGB künftig fair und menschenrechtskonform gestaltet werden müssten. Diese Anforderungen ließen sich auch durch die Nutzerinnen und Nutzer einfordern – bspw. durch ein internes Beschwerdemanagement. Auf eine interne Beschwerde müssten die Plattformen zeitnah reagieren und der DSA sehe darüber hinaus auch eine externe Streitschlichtung vor, sodass der Willkür der Plattformen Grenzen gesetzt würden. Für die anstehenden Trilogverhandlungen wünschte sich MdEP Verheyen, dass die Mitgliedstaaten ihre Rolle bei der Medienregulierung und -aufsicht stärker einbringen würden – statt die Verantwortung auf die AGB von Plattformen zu übertragen.

Online-Veranstaltung vom 25.01.2022

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