Die 995. Sitzung des Bundesrates

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995. Sitzung des Bundesrates Minister Holthoff-Pförtner
6. November 2020

Die 995. Sitzung des Bundesrates

Kurz berichtet

Ausgewählte Ergebnisse der 995. Sitzung des Bundesrates am 6. November 2020

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Neuer Präsident des Bundesrates

Turnusmäßig übernahm am 1. November Ministerpräsident Reiner Haseloff aus Sachsen-Anhalt für ein Jahr das Amt des Bundesratspräsidenten. Eingangs der Sitzung gedachten die Mitglieder des Bundesrates der Opfer der jüngsten islamistischen Anschläge in Wien, Nizza, Paris, Lyon und Dresden. In seiner anschließenden Ansprache blickte der neue Präsident der Länderkammer auf 30 Jahre deutsche Einheit und die friedliche Revolution zurück, um von dort aus den Bogen zu den aktuellen Herausforderungen zu spannen. „Wer die Unfreiheit erlebt hat, wir die Freiheit immer zu schätzen wissen“, sagte Haseloff und berichtete dazu von seiner eigenen Wende- und Nachwenderfahrung. Er warb für mehr Verständnis für die noch jungen Demokratien in Osteuropa und für mehr Zusammenhalt, nicht nur während der Corona-Pandemie, sondern für ein gelingendes Zusammenleben in Vielfalt in Deutschland. Deswegen steht die sachsen-anhalter Bundesratspräsidentschaft unter dem Motto „Gemeinsam Zukunft formen“.

Epidemiegesetz: Klarere Rechtsgrundlagen für Grundrechtsbeschränkungen

In seiner Sitzung beriet der Bundesrat Änderungen am Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, das für die Bekämpfung der Corona-Pandemie von großer Bedeutung ist. In Bezug auf Schutzimpfungen und Testungen sollen nicht nur Versicherte, sondern auch Nichtversicherte einen entsprechenden Anspruch haben können. Die bislang vorgesehenen Regelungen zum Reiseverkehr werden für den Fall einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite angepasst. Eine digitale Einreiseanmeldung kann nach Aufenthalt in Risikogebieten verordnet werden, um eine bessere Nachvollziehbarkeit der Quarantäneeinhaltung durch die zuständigen Behörden zu ermöglichen. Die mit dem ersten Bevölkerungsschutzgesetz im März 2020 geschaffene Entschädigungsregelung für Eltern wird fortgeführt, bei einem unter Quarantäne gestellten Kind ist ebenfalls eine Entschädigungszahlung möglich. Der Begriff des Risikogebiets wird im Gesetz definiert. In diesem Zusammenhang soll Entschädigung wegen Verdienstausfalls künftig ausgeschlossen sein, wenn der Absonderung eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet zugrunde liegt. Damit weitere wissenschaftliche Erkenntnisse über die Verbreitung des Virus und den Verlauf der Pandemie gewonnen werden können, sieht das Gesetz neuartige Surveillance-Instrumente beim Robert Koch-Institut vor. Im Sinne einer effizienten Nutzung der vorhandenen Test-kapazität wird der Arztvorbehalt modifiziert, um patientennahe Schnelltests auf das Coronavirus SARS-CoV-2 einsetzen zu können und bei Bedarf auch Kapazitäten der veterinärmedizinischen Labore abrufen zu können. Der Bundesrat nahm zu dem Gesetzentwurf Stellung. Er fordert, die Rechtsgrundlage für Corona-Schutzmaßnahmen der Länder im Infektionsschutzgesetz zu konkretisieren und die bisherige Generalklausel durch einen Katalog von Maßnahmen zu ersetzen. Der Bundestag wird das Gesetz nun zügig beraten. Der Bundesrat kommt bereits am 18. November zu einer Sondersitzung zusammen, damit die Regelungen rasch in Kraft treten können.

Bundesrat fasst Entschließung zur Zukunft Europas

Mit dem angenommenen Entschließungsantrag „Europas Zukunft jetzt gestalten“ fordern die Länder die Bundesregierung auf, sich im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für einen konkreten Fahrplan für die Konferenz zur Zukunft Europas einzusetzen. Außerdem begrüßen sie das Finanzpaket für den Wiederaufbau Europas: den mehrjährigen Finanzrahmen 2021-27 und das Aufbauinstrument „Next Generation EU“. Dabei sollte ein starker Fokus beim Einsatz der Mittel auf Digitalisierung, Wettbewerbsfähigkeit, dem Green Deal, Forschung/Innovation und Bildung/Jugend liegen. Besonderes Augenmerk legte der Bundesrat auf die künftige Höhe der EU-Kofinanzierungssätze für die Europäischen Strukturfonds. Im Plenum begrüßte Nordrhein-Westfalens Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner die am Tag zuvor in Brüssel zwischen Ratspräsidentschaft und Parlament erzielte Einigung zum Rechtsstaatsmechanismus. Danach ist es in Zukunft möglich, die Auszahlung von EU-Geldern von der Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips abhängig zu machen. Dies gilt nicht nur für Einzelfälle, sondern auch für systematische Verstöße. Minister Holthoff-Pförtner unterstrich, dass Europa ist eine Wertegemeinschaft und damit eine Rechtsgemeinschaft sei. „Rechtsstaatlichkeit ist die Grundlage für die Freiheit der Bürger, kein abstraktes Prinzip der Staatsorganisation.“ Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit müssen Konsequenzen haben. Nordrhein-Westfalen hatte das Thema der Rechtsstaatlichkeit in den Mittelpunkt seines Vorsitzes in der Europaministerkonferenz gestellt.

Erneuerbare Energien

Mit einer Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) strebt die Bundesregierung Treibhausgasneutralität von Erzeugung und Verbrauch des gesamten Stroms in Deutschland vor dem Jahr 2050 an. Ein Ziel, das der Bundesrat und das Nordrhein-Westfalen unterstützt. Vorgesehen ist ferner, die Kommunen finanziell am Ausbau der Windenergie zu beteiligen, mehr Anreize für Mieterstrom zu setzen und verbesserte Rahmenbedingungen für Eigenstromerzeugung zu schaffen. Insgesamt ist angestrebt, die Förderkosten für Erneuerbare Energien zu reduzieren. Das neue Gesetz tritt an, neue Regeln für die Ausschreibung für große Photovoltaik-Dachanlagen zu schaffen. Auch will es Innovationsausschreibungen aufstocken. Andererseits soll sie die Wettbewerbsfähigkeit der stromkostenintensiven Industrie sichern, die durch Anpassungen bei der Ausgleichsregelung mehr Planungssicherheit bei zukünftigen EEG-Entlastungen erhält. Mehr Anreize soll es geben um die Erneuerbaren besser in das Stromsystem einzubinden. Der nordrhein-westfälische Energieminister Andreas Pinkwart begrüßte zwar die Zielsetzung und den substanziellen Beitrag des Strombereichs zur Treibhausgasneutralität bis 2050. Er bescheinigte dem Gesetzentwurf der Bundesregierung aber auch, viele Chancen ungenutzt zu lassen. Das EEG sei von Anfang an als Markteinführungsprogramm gedacht gewesen und nach 20 Jahren eher ein Auslaufmodell, das durch kosmetische Änderungen nicht mehr zu retten sei. Vielmehr müsse es sich perspektivisch selbst überflüssig machen, so dass sich Erneuerbare Energien selbst am Markt erhalten können. EEG-Anlagen bedürfen auf absehbare Zeit noch der Förderung, können sich aber zunehmend selbst finanzieren. In diese Richtung enthalte das EEG aber keine überzeugenden Ansätze, so der Minister. Hier sollte es deutlicher die Weichen für mehr Marktintegration stellen und die schnelle Überwindung der überkomplexen Umlagefinanzierung anstreben. Es bedarf geeigneter Rahmenbedingung für die Vermarktung abseits staatlicher Förderung, so dass es gelingen kann, die EEG-Umlage perspektivisch auf null zu senken. Der Bundestag wird sich in Kürze in zweiter und dritter Lesung mit dem Gesetzentwurf befassen. Es soll 1. Januar 2021 in Kraft treten.

Gesundheitsversorgung und Pflege

Das Gesundheitswesen ist derzeit belastet wie vorher kaum vorstellbar. Auch wenn Deutschland besser als manche Nachbarländer dasteht, gilt es eine Überlastung zu vermeiden. Die Herausforderung ist unter anderem, eine Finanzlücke von 6,6 Milliarden Euro zu schließen. Dazu hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege vorgelegt, den der Bundesrat in einem ersten Durchgang beraten hat. Es enthält Maßnahmen zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Weitere Regelungen betreffen die Abrechnung von Liquiditätshilfen an Zahnärzte während der COVID-19-Pandemie, die Verschiebung des Inkrafttretens der bundesweiten Verträge zur Heilmittelversorgung auf den 01.01.2021, erweiterte Möglichkeiten für Selektivverträge, eine bessere Versorgung von Schwangeren durch Förderung zusätzlicher Hebammenstellen durch ein dreijähriges Hebammenstellen-Förderprogramm für die Jahre 2021 bis 2023, die Einbeziehung der Kinder- und Jugendmedizin in die pauschale Förderung für ländliche Krankenhäuser, eine zukunftsorientierte Personalausstattung für vollstationäre Pflegeeinrichtungen sowie Verfahrensvereinfachungen hinsichtlich Hilfsmittelempfehlungen bei der Pflegebegutachtung. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann verglich die Aufgabe im Plenum mit der berühmten Quadratur des Kreises. Die Krankenkassen haben es einerseits mit erhöhten Kosten und Ausgaben und andererseits mit in der Krise rückläufigen Beitragseinnahmen zu tun. Deutlich machte Laumann, dass eine Sonderregelung zum Schutz kleiner Krankenkassen geboten sei, die mehr finanziellen Spielraum benötigen. Im SGB V besteht bislang schon eine zum Schutz für kleine Krankenkassen eine Ausnahmeregelung. Sie ermöglicht ihnen ein höheres Finanzpolster mit Blick auf die durchschnittlichen Monatsausgaben zu schaffen. Dennoch: Bereits einzelne teure Leistungsfälle, etwa Transplantationen, Beatmungsfälle von COVID-19-Patienten oder eine Dosis Zolgensma können eine kleine Krankenkasse bei einer entsprechend geringen Finanzbasis in existenzielle Schwierigkeiten bringen. Nordrhein-Westfalen fordert daher, auch hinsichtlich der geplanten Abschöpfung eines Teils der Finanzreserven für den Gesundheitsfonds eine Sonderregelung für kleine (Betriebs-)Krankenkassen für erforderlich gehalten, um eine sachgerechte finanzielle Basis zu erhalten.

Stärkung von Ressourcenschutz und Kreislaufwirtschaft: Bundesrat verabschiedet Neuregelung für jährlich rund 240 Millionen Tonnen mineralische Abfälle

Einen besseren Schutz natürlicher Ressourcen wie Böden und Grundwasser und eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft durch Verwendung von Recyclingbaustoffen verspricht die heute (6. November) vom Bundesrat verabschiedete sogenannte Mantelverordnung. Zudem hat der Bundesrat heute einem von Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Umweltministerien aus fünf weiteren Bundesländern erarbeiteten Antrag zur Neufassung der Ersatzbaustoffverordnung zugestimmt. Zuvor hatten Bund und Länder über bundesweit einheitliche und rechtssichere Regelungen für die Verwertung und das Recycling mineralischer Abfälle diskutiert und verhandelt.

"Mit dem heutigen Votum beginnt eine neue Zeitrechnung für das Recycling und die Verwertung mineralischer Abfälle. Die Neuregelung war dringend erforderlich, damit die mineralischen Abfälle von heute nicht die Altlasten von morgen werden. Allein bei uns in Nordrhein-Westfalen fallen geschätzt jährlich rund 40 Millionen Tonnen mineralische Abfälle wie zum Beispiel Bodenaushub oder Bauschutt an, bundesweit sind es rund 240 Millionen Tonnen. Für die Verwertung dieser großen Abfallmengen benötigen wir bundeseinheitliche und rechtssichere Regelungen. Zudem müssen wir dafür sorgen, dass sie wiederverwendet werden und dies unseren Boden und das Grundwasser nicht belastet", sagte Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. Jetzt sei der Bundestag am Zug.
Der von Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit den Umweltministerien aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein erarbeitete und am 6. November im Bundesrat verabschiedete Globalantrag setzt ein von den Ländern erarbeitetes Kompromisspaket um. Die Vorbehalte der Länder gegen die von der Bundesregierung in 2017 vorgelegte Fassung der Ersatzbaustoffverordnung waren zu groß. Mit der Mantelverordnung beschlossen wurde ebenfalls die Novellierung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung sowie Folgeänderungen in der Deponieverordnung und der Gewerbeabfallverordnung.

Die Ersatzbaustoffverordnung legt unter anderem fest, welche Schadstoffwerte aus Sicht des Boden- und Grundwasserschutzes in mineralischen Abfällen vertretbar sind, damit sie als Ersatzbaustoffe im Straßen-, Wege- und Schienenverkehrswegebau verwendet werden können. Zwar werden bereits heute 90 Prozent der mineralischen Abfälle verwertet, viele Kommunen scheuen aber die Verwendung von Recyclingbaustoffen, weil sie befürchten, die verbauten Materialien später wieder beseitigen zu müssen.

"Ziel der Neuregelung ist es, durch rechtssichere, wissenschaftlich fundierte und transparente Vorgaben die Akzeptanz bei der Verwendung von mineralischen Ersatzbaustoffen zu erhöhen. Indem mineralische Ersatzbaustoffe wertvolle Primärbaustoffe wie Kies, Sand und Natursteine ersetzen, werden natürliche Ressourcen geschont. Die Abhängigkeit von Primärbaustoffen nimmt ab", so Ministerin Heinen-Esser. Anerkannte Überwachungsstellen sollen sicherstellen, dass die Qualitätsanforderungen an die mineralischen Ersatzbaustoffe erfüllt werden.

Zugleich sollen mit der Novellierung der 20 Jahre alten Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung erstmals bundeseinheitliche Regelungen für Verfüllungen in der freien Landschaft getroffen werden. Derzeit werden in Deutschland im jährlichen Durchschnitt rund 100 Millionen Tonnen Boden und Steine für die Verfüllung von Gruben und Brüchen verwertet.

Die aktuell noch geltenden Länderregeln für die Verwendung unter anderem von Bodenaushub, Bauschutt, Schlacken und Aschen sind überwiegend veraltet. Gegen einen von der Bundesregierung 2017 vorgelegten Entwurf einer Ersatzbaustoffverordnung gab es fundamentale Vorbehalte der Bundesländer. Daher haben die Umweltressorts der Länder und das Bundesumweltministerium in den vergangenen zwei Jahren in intensiven Diskussionen um einen Kompromiss gerungen, der zu einer Verbesserung des Schutzniveaus für Boden und Grundwasser im Ausgleich mit den Interessen der Kreislaufwirtschaft und des Ressourcenschutzes führt.

Hintergrund: Der größte Anteil der mineralischen Abfälle entfällt in allen Bundesländern auf die Mengenströme aus dem Bausektor: Bodenmaterial (circa 50 Prozent) und Bauschutt (circa 34 Prozent). Hinzu kommen Schlacken und Aschen aus industriellen Prozessen (circa 16 Prozent), wie beispielsweise Schlacken aus der Eisen- und Stahlindustrie oder Aschen aus Kohlekraftwerken. Diese Materialien können in Form recycelter oder industrieller Gesteinskörnungen zu Ersatzbaustoffen aufbereitet werden.
 

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