
Energiepolitik zwischen Klimawandel und Versorgungssicherheit
Der Bundesrat debattiert drängende energiepolitische Themen
EEG & Co.
Mit einer Reform zu erneuerbaren Energien, will der Bund die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen, die Stromversorgung bereits im Jahre 2035 vollständig durch erneuerbare Energien zu decken und mithin das 1,5 Grad-Klimaschutzziel des Pariser Übereinkommens zu erreichen. Dafür muss der Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch in den nächsten zehn Jahren verdoppelt werden, gleichzeitig steigt jedoch auch der Strombedarf durch die zunehmende Elektrifizierung in der Industrie an. Das Reformvorhabenstellt fest, dass die Nutzung der erneuerbaren Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Im Jahre 2035 soll die inländische Stromerzeugung fast treibhausneutral sein und durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Der Gesetzentwurf hebt die Ausbaupfade der einzelnen Technologien, insbesondere der Solar- und Windenergie an, stellt neue Flächen für den Ausbau der Photovoltaik bereit, weitet die Beteiligung der Kommunen bei Wind an Land und Photovoltaik aus, erschließt verstärkt windschwache Standorte, verbessert die Rahmenbedingungen für den Ausbau von Photovoltaikdachanlagen, verschlankt Planungs- und Genehmigungsverfahren und entbürokratisiert das Energierecht. Die Vorhaben betreffen gleichermaßen die Energiewirtschaft, die Industrie und die Gesellschaft. Mit der umfangreichen Novelle sollen die notwendigen Weichen für die Umstellung des Energiesystems auf Erneuerbare Energien gestellt werden.
Einstimmig billigte der Bundesrat das Gesetz über den beschleunigten Bau von Flüssiggasterminals. Damit verkürzen sich die erforderlichen Genehmigungsverfahren erheblich. Zum Winter soll bereits ein erstes, schwimmendes Terminal in Wilhelmshaven in Betrieb gehen. Ein zweites LNG-Terminal ist in den nächsten Jahren in Brunsbüttel vorgesehen. An die Terminals können Gastransportschiffe andocken, die flüssiges Gas geladen haben. Über ein spezielles Verfahren wird dies wieder in den gasförmigen Zustand versetzt und in die Gasleitungen eingespeist. Deutschland, das derzeit um die 35 Prozent seines Gasbedarfs aus Russland deckt, will durch mehr Flüssiggasimporte von Lieferungen aus Russland unabhängig werden.
Ein weiteres Vorhaben will die Ausbauziele für die Windenergie auf See erheblich steigern. Grundlegend soll auf Basis der Koalitionsvereinbarungen die Windenergie auf See auf mindestens 30 Gigawatt bis zum Jahr 2030 und 40 Gigawatt bis zum Jahr 2035 und ca. 70 Gigawatt bis zum Jahr 2045 erhöht werden. Um dieses Ziel zu erreichen müssen die Planungs- und Genehmigungszeiträume für den Bau von Windanlagen und die Legungen von Offshore-Anbindungsanleitungen optimiert werden. Das Flächenentwicklungsmodell soll ebenfalls angepasst werden und mithin die Zulassungs- und Vollzugsverfahren. Diese sollen digitalisiert werden. Auch der Arbeitsmarkt für die spezialisierten Fachkräfte, die für die Fertigstellung der zu Weiterleitung des Stroms erforderlichen Infrastruktur beschäftigt sind, soll in den Blick genommen werden. Anwerbung neuer Fachkräfte hat Priorität, so soll der Arbeitsmarktzugang für Drittstaatsangehörigen im deutschen Küstenmeer verbessert werden.
Auch ein Gesetzentwurf zum Energiewirtschaftsrecht knüpft daran an, dass Deutschland bis spätestens 2045 klimaneutral sein soll, um die Klimaschutzziele aus dem Übereinkommen von Paris zu erreichen. Zentrales Ziel ist dabei der Ausbau des Stromnetzes und die Abschaltung der verbleibenden Kohle- und Kernkraftwerke. Strom soll zunehmend über weite Strecken transportiert werden. Insbesondere der im Norden Deutschlands erzeugte Strom aus Windenergieanlagen muss zu den Verbrauchsschwerpunkten im Süden und Westen Deutschlands geleitet werden. Es gilt, Engpässe in der Stromversorgung innerhalb des deutschen Netzes zu beseitigen. Darüber hinaus sollen die technischen Voraussetzungen für den zunehmenden grenzüberschreitenden Stromhandel geschaffen werden. Daraus resultiert ein Netzaus-baubedarf insbesondere in der Höchstspannungsebene. Der entsprechend Ausbau der Stromnetze soll beschleunigt werden. Die Treibhausgasneutralität im Jahre 2045 soll unmittelbar in das Energiewirtschaftsgesetz aufgenommen werden und die Netzentwicklungsplanungen werden um die Berechnung eines Klimaneutralitätsgesetzes ergänzt. Des Weiteren wird die optimierte Bundesbedarfsplanung um die aktuellen und geplanten Netzausbauvorhaben ergänzt.
Ein zweites Feld betrifft die gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten. Hierzu billigte der Bundesrat das Steuerentlastungsgesetz 2022. Dies sieht die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags bei der Einkommensteuer um 200 Euro auf 1.200 Euro rückwirkend zum 01.01.2022 vor. weiter hebt es den Grundfreibetrag für 2022 von derzeit 9.984 Euro um 363 Euro auf 10.347 Euro rückwirkend zum 01.01.2022 an. Die bis 2026 befristete Anhebung der Entfernungspauschale für Fernpendler (ab dem 21. Kilometer) wird rückwirkend zum 01.01.2022 auf 38 Cent vorgezogen, genauso wie die bis 2026 befristete Anhebung der Bemessungsgrundlage für die Mobilitätsprämie. Schließlich enthält das Gesetz noch eine Energiepreispauschale (300 Euro für Erwerbstätige) und einen Kinderbonus (100 Euro Kindergeld-Einmalzahlung im Juli 2022) als weitere Entlastungsmaßnahmen.
Ein weiteres Gesetz senkt die EEG-Umlage zum 01.07.2022 (befristet bis zum 31.12.2022) auf null ab. Die EEG-Umlage besitzt einen erheblichen Anteil an den staatlich veranlassten Kostenbestandteilen, die in die Stromkosten der Letztverbraucher fließen. Von dem signifikanten Anstieg der Energiepreise auf den Großhandelsmärkten sind Unternehmen und Verbraucher betroffen. Durch das Gesetz sollen sie eine Entlastung erfahren. Notwendig ist im Zuge der Umgestaltung eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes. So wird sichergestellt, dass die Absenkung der EEG-Umlage an den Letztverbraucher weitergegeben. Dies ist der erste Schritt zur vollständigen Finanzierung der Förderungen nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz über den Energie- und Klimafonds. Die dauerhafte Finanzierung der EEG-Förderungen über den Energie- und Klimafonds erfolgt in einem zweiten Schritt durch die bevorstehende EEG-Novelle im Rahmen des Sofortprogramms.
9-Euro-Ticket
Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat dem 9-Euro-Ticket zugestimmt. In den Monaten Juni, Juli und August kann für einen Monatspreis von neun Euro der Nahverkehr in ganz Deutschland benutzt werden. Fahrgäste können damit in den Monaten Juni, Juli und August für jeweils neun Euro monatlich den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Das Vorhaben ist ein Baustein, um die Menschen von den stark steigenden Kosten für Strom, Lebensmittel, Heizung und Mobilität zu entlasten. Der Bund erstattet den Ländern dafür Kosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro für das Jahr 2022. Weitere 1,2 Milliarden Euro dienen dazu, pandemiebedingte Einnahmeausfälle im Regionalverkehr zumindest teilweise auszugleichen.
Zu dem Gesetz hat der Bundesrat begleitend noch eine Entschließung gefasst. Darin kritisiert er, dass die vom Bund in Aussicht gestellten Mittel nicht ausreichen werden, um alle mit dem 9-Euro-Ticket verbundenen Kosten zu kompensieren. Des weiteren leiden viele Verkehrsbetriebe noch unter Corona-bedingten Einnahmeausfällen, die kompensiert werden müssen. Insgesamt werden nach Auffassung der Länderkammer erhebliche weitere Finanzmittel benötigt, um auch nur das derzeitige Verkehrsangebot langfristig gewährleisten zu können. Der Finanzbedarf verschärft sich bei zu erwartenden steigenden Fahrgastzahlen, die es erforderlichen machen, Mobilitätsangebote auszuweiten, und auch der Klimaschutz kostet Geld. Deswegen erwarten die Länder, dass die so genannten Regionalisierungsmittel, die die Länder für den ÖPNV vom Bund erhalten, strukturell und dauerhaft schon ab 2022 erhöht werden.
Streichung § 219a StGB
Zur Debatte stand ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, der zum Ziel hat, das bisher bestehende Werbeverbot für Abtreibungen abzuschaffen und § 219a Strafgesetzbuch zu streichen. Damit könnten Ärzte künftig darüber informieren, dass sie Abtreibungen vornehmen und welche Methoden sie dazu anwenden. Nicht zulässig bleiben soll irreführende Werbung. Des weiteren sieht der Gesetzesvorschlag vor, aufgrund des bisherigen Verbots ergangene Strafurteile rückwirkend bis zum 3. Oktober 1990 aufzuheben und aktuell laufende Verfahren einzustellen. Der Gesetzentwurf geht nun an den Bundestag und nach dortigem Beschluss noch einmal an den Bundesrat.
BAföG
Beraten hat der Bundesrat ebenfalls Änderungen im BAföG. Hintergrund der Reform ist die in den vergangenen zehn Jahren kontinuierlich gesunkene Zahl der BAföG-Empfänger. Nach einem Höchststand von 979.000 (einschließlich Schüler-BAföG) im Jahr 2012 lag die Zahl im vergangenen Jahr bei nur noch 639.000. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zielt deswegen darauf ab, den Kreis der Anspruchsberechtigten deutlich auszuweiten. Einzelne Maßnahmen sind die Anhebung der Freibeträge um Prozent und der Bedarfssätze und des Kinderbetreuungszuschlags um 5 Prozent bei zugleich überproportionaler Anhebung des Wohnzuschlags für auswärts Wohnende auf 360 Euro. Erhöht und Vereinheitlicht wird die Altersgrenze auf 45 Jahre zu Beginn des zu fördernden Ausbildungsabschnitts. Das Gesetzesvorhaben will ferner den Vermögensfreibetrag für Geförderte auf 45.000 Euro anheben, sodass er dem Vermögensfreibetrag für mit einem Unterhaltsbeitrag nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz Geförderte gleichgestellt ist. Erleichterung gibt es zudem insbesondere bei der digitalen Antragstellung. Das Inkrafttreten ist bereits zum Schuljahr 2022/2023 geplant.