
Die 1028. Sitzung des Bundesrates
Kurz berichtet
Kompromiss zum Bürgergeld
Nach dem Bundestag hat auch des Bundesrat den vom Vermittlungsausschuss vorgelegten Kompromissvorschlag zum Bürgergeld gebilligt. Damit kann das geänderte Bürgergeldgesetz in Kraft treten und ab 1. Januar 2023 umgesetzt werden.
Änderungen gab es bei der Karenzzeit. Sie soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, sich voll auf die Arbeitsuche konzentrieren zu können. Während der Karenzzeit werden die Kosten für die Unterkunft in tatsächlicher Höhe übernommen und die Heizkosten in angemessener Höhe. Vermögen wird nicht berücksichtigt, sofern es nicht erheblich ist. Der vom Vermittlungsausschuss erarbeitete Kompromiss sieht eine Karenzzeit von nunmehr einem Jahr statt wie ursprünglich geplant zwei Jahren vor.
Das Vermittlungsergebnis beinhaltet auch Änderungen beim Schonvermögen, das reduziert wird. Es gilt dann als „erheblich“, wenn es 40.000 Euro für die leistungsberechtigte Person und 15.000 Euro für jede weitere mit dieser in Bedarfsgemeinschaft lebende Person überschreitet. Die Vermögensprüfung wird entbürokratisiert.
Die bisherige so genannte Eingliederungsvereinbarung weicht im Bürgergeldgesetz einem Kooperationsplan. Diesen erstellen Leistungsberechtigte und Integrationsfachkräfte gemeinsam. Die vom Bundestag beschlossene Vertrauenszeit entfällt. Nach ihr wären auch bei Pflichtverletzungen keine Sanktionen verhängt worden. Die Jobcenter können diese nun wie bisher von Anfang an sanktionieren. Unterstützung erfahren Geringqualifizierte auf dem Weg zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Ziel ist, ihnen den Zugang zum Fachkräftearbeitsmarkt zu eröffnen. Durch umfassende Betreuung soll jene Leistungsberechtigten unterstützt werden, die besondere Schwierigkeiten haben, eine Arbeit aufzunehmen. In Zukunft gelten höhere Freibeträge für Nebenjobs. Schüler, Studierende und Auszubildende können in Zukunft mehr von ihrem hinzuverdienten Einkommen behalten. Es soll sich finanziell lohnen, einen Schüler- oder Studentenjob aufzunehmen.
Das Gesetz ersetzt die bisherige Grundsicherung für Arbeitssuchende durch ein so genanntes Bürgergeld. Es schafft den bisherigen Vermittlungsvorrang ab und zielt auf eine möglichst langfristige Eingliederung in den Arbeitsmarkt ab, im Gegensatz zur bisherigen schnellstmöglichen Vermittlung in eine Arbeitsstelle. Unstrittig war von Anfang an, die Regelbedarfe zu reformieren. In Zukunft werden sie nicht mehr rückwirkend, sondern vorausschauend an die Teuerungsraten angepasst. Zudem erfahren sie eine Erhöhung. Ab 1. Januar 2023 erhält beispielsweise ein alleinstehender Erwachsener 502 Euro, das sind 53 Euro mehr als bisher.
Zustimmung zum Inflationsausgleichsgesetz
Der Bundesrat hat dem Inflationsausgleichsgesetz zugestimmt. Das Gesetz passt die Steuerlast von rund 48 Millionen Steuerpflichtigen an die Inflation an. Ziel ist es, die mit der so genannten kalten Progression verbundenen „schleichenden Steuererhöhungen“ abzumildern. Die kalte Progression ist die Steuermehrbelastung, die mit der Zeit dann eintritt, wenn bei einem progressiven Einkommensteuertarif der Grundfreibetrag und die Tarifkennlinie nicht an die Preissteigerungsrate angepasst werden. Dies ist nun geschehen. Familien erhalten eine zusätzliche Unterstützung, indem das „Gesetz zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Inflationsausgleichsgesetz - InflAusG)“, so der volle Titel, den Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag anhebt und das Kindergeld erhöht.
Der Bundesrat hat zudem eine Entschließung gefasst. Darin unterstützen die Länder beschlossenen die Entlastungen für Bürger und Unternehmen. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass die „vereinbarten Entlastungspakete zu einer erheblichen strukturellen Belastung der Haushalte von Ländern und Kommunen führen“. In Zahlen bedeutet dies: „Die Belastung der öffentlichen Haushalte durch das vorliegende Gesetz beträgt 33,1 Milliarden Euro, von denen ein Anteil von 18,7 Milliarden Euro, und damit deutlich mehr als die Hälfte, auf die Haushalte von Ländern und Kommunen entfällt“. Angesichts dieser Größenordnung sind die Länder der Auffassung, „dass eine vollständige Information und frühzeitige Einbindung der Länder in die Entscheidungsprozesse erforderlich gewesen wären“.
Das nun beschlossenen Gesetz ist Teil eines dritten Entlastungspakets der Bundesregierung. Es sieht Maßnahmen vor, um eine bezahlbare Energieversorgung zu sichern und die Einkommen zu stärken.
Europäisches Mediengesetz
Der Bundesrat unterstützt die Europäische Kommission in dem Anliegen, vielfältige und unabhängige Medien in Europa zu gewährleisten und zu bewahren. Das von der EU vorgeschlagene „Europäische Mediengesetz“, so die Länderkammer, schießt dabei aber über das Ziel hinaus. Der Bundesrat hat deswegen eine so genannte Subsidiaritätsrüge beschlossen. Dabei handelt es sich um ein Instrument, das den nationalen Parlamenten zur Verfügung steht, wenn sie der Auffassung sind, dass die EU nicht im Rahmen ihrer Zuständigkeiten tätig wird.
NRW-Medienminister Nathanael Liminski stellt dazu im Bundesratsplenum klar: „Mit unserer Zustimmung zur Subsidiaritätsrüge kritisieren wir den Weg, den die Europäische Kommission geht. Das ändert aber nichts daran, dass wir das Ziel der Kommission teilen: Medienfreiheit und Medienvielfalt sind in allen Mitgliedstaaten der EU unverzichtbar.“ Weiter sagte der Minister: „Wenn nach rechtlichen Maßstäben und sorgfältiger Prüfung klar ist, dass die Subsidiarität nicht gewahrt ist, dann muss man das Instrument der Rüge auch nutzen. Auch das gehört zum Rechtsstaatsprinzip: Man darf mit der Subsidaritätsrüge nicht gegen Europa Politik machen. Aber man wendet sie an, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.“
Konkret geht es dabei nicht um formelle Kompetenzstreitigkeiten, sondern um die Inhalte des Verordnungsvorschlags. Kritisch wird die angedachte Rolle der Kommission als oberste Medienaufsicht gesehen, die dem in Deutschland bewährten Prinzip eines dezentralen und staatsfernen Systems der Medienaufsicht widerspricht. Zudem geht der Kommissionsentwurf zur Medienregulierung auch an regionalen und lokalen Bedürfnissen vorbei. Problematisch erscheint schließlich, dass die EU-Kommission einen wirtschaftlichen Blick auf die Medien hat, indem sie sie schlicht in den Binnenmarkt einordnet. Nordrhein-Westfalen ist hingegen der Auffassung, dass die kulturelle Dimension nicht hinter wirtschaftlichen Aspekten zurücktreten darf.
Das von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Europäische Medienfreiheitsgesetz (EMFA) soll den Binnenmarkt für Medien stärken sowie die Qualität der Mediendienste und den Schutz des Medienpluralismus verbessern. Der Vorschlag ergeht in Umsetzung der von der Kommissionpräsidentin in ihren politischen Leitlinien 2021 angekündigten Initiative. Konkret möchte der EU-Vorschlag grenzüberschreitende Tätigkeiten und Investitionen durch Harmonisierung der nationalen Rechtsrahmen fördern. Er strebt zudem an, die Zusammenarbeit und Konvergenz in Regulierungsfragen zu verbessern. Die Bereitstellung hochwertiger Mediendienste möchte die Verordnung erleichtern, indem sie das Risikos einer Einflussnahme auf die redaktionelle Freiheit mindert. Schließlich soll der Vorschlag die transparente und gerechte Zuweisung wirtschaftlicher Ressourcen auf dem Medienbinnenmarkt gewährleisten. Der Verordnungsentwurf wird begleitet von einer unverbindlichen Empfehlung, die einen Katalog freiwilliger Verfahren für Medienunternehmen zur Förderung der redaktionellen Unabhängigkeit sowie zur Förderung von transparenten Eigentumsverhältnissen enthält.