Dialogreise nach Bangladesch

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Gespeichert von Robin Teller am 21. Juni 2018

Dialogreise nach Bangladesch

Perspektiven für nachhaltige öffentliche Beschaffung

Dialogreise zu Sozial- und Arbeitsstandards im Textil- und Bekleidungssektor in Bangladesch vom 10. bis zum 15.02.2017

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Für eine erfolgreiche Umsetzung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung braucht es den Einblick in die Lieferketten der zu beschaffenden Produkte. Ein Beispiel dafür ist die Textil- und Bekleidungsindustrie. Wer ökologische und soziale Standards einhalten will, muss die Herkunft der zu beschaffenden Produkte kennen, vom Anbau der Baumwolle über die Herstellung der Vorprodukte wie Stoffe und Garne bis zur Verarbeitung in Nähereien und zum Transport nach Europa.

Im Februar 2017 organisierte newtrade nrw daher, gemeinsam mit der Deutschen Botschaft in Dhaka und der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), eine Dialogreise nach Bangladesch. Im Fokus standen die Sozial- und Arbeitsstandards im Textil- und Bekleidungssektor, insbesondere aus der Perspektive nachhaltiger öffentlicher Beschaffung.

Die Reisegruppe setzte sich aus politischen Entscheidungsträgern, Praktikern und Experten zum Thema zusammen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten die Gelegenheit, sich die Verhältnisse vor Ort anzuschauen und mit verschiedenen Interessensgruppen in Kontakt zu kommen. Zu den Gesprächspartnern der Delegation gehörten Fabrikbesitzer und institutionelle Dialogpartner, darunter Einrichtungen von Regierungsseite, aus der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft sowie Think Tanks und deutsche Organisationen.
 

Ziel der Reise war es, den Teilnehmern und den Teilnehmerinnen der Delegation, neue Erkenntnisse zu den Arbeitsbedingungen und der Rolle und möglichen Wirkung von Nachhaltigkeitsstandards im öffentlichen Einkauf zu vermitteln. Bei allen Gesprächen wurde deutlich, dass die öffentliche Aufmerksamkeit seit dem Unglück von Rana Plaza 2013, bei dem mehr als 1.000 Menschen starben, zu Verbesserungen bei Auftraggebern und ihren Produzenten vor Ort sowie bei der Umsetzung der Arbeitsgesetzgebung in Bangladesch geführt hat.

Die positiven Entwicklungen in Bezug auf Nachhaltigkeitsstandards in Bangladesch sind in erster Linie das Ergebnis von gestiegenen Anforderungen der Importeure.
 

Hieran zeigen sich zum einen die Wirksamkeit von Veränderungen der Nachfrage und zum anderen das Potential einer konsequenten Nachhaltigkeit der öffentlichen Beschaffung, als gewichtiger Teil dieser Nachfrage.

Trotz der großen Fortschritte in den Jahren nach Rana Plaza existieren in Bangladesch Zielkonflikte in Bezug auf die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards sowie ökologische Nachhaltigkeitsziele. Zum einen zwischen den Interessen der Fabrikbesitzer und denen der Arbeiter, zum anderen auch zwischen den von der Regierung gesetzten politischen Vorgaben zu schnellem Wirtschaftswachstum und den Anforderungen an höhere Nachhaltigkeitsstandards.
 

Die aktuellen Streiks und Proteste im Land sind Indikatoren für anhaltende Probleme, die die Delegation mit Gewerkschafterinnen und Think Tanks in Dhaka erörtert hat. Deren Lösung liegt nicht alleine in der Verantwortung der Regierung in Bangladesch, sondern auch bei den Einkäufern, Marken und Produzenten, die für gerechte Entlohnung und die Einhaltung von Sicherheits-, Sozial- und Umweltstandards entlang ihrer Lieferketten sorgen müssen.
 

Ein weiterer wichtiger Aspekt: Durch unsere Reise konnte vor Ort in Bangladesch weitere Aufmerksamkeit für das Thema generiert und ein klares Signal für die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung in NRW gesetzt werden.

 

Was sagen die Teilnehmer?

Marie Luise Lämmle, Projektkoordinatorin bei Femnet e.V.

"Die Einblicke waren unglaublich vielseitig, spannend und haben mich erneut davon überzeugt: Faire Beschaffung ist ein zentraler und wirkungsvoller Hebel zur Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen! Die Wirkung entfaltet sich nicht losgelöst von Weichenstellungen auf den Ebenen der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber als eine der Komponenten ist die Umstellung auf faire Beschaffung machbar und bedeutsam!"
 

Werner Jostmeier, Mitglied des Landtages NRW

"Mehr denn je ist mir bewusst geworden, welche Zeitbombe auch gerade in Bangladesch und in vergleichbaren Ländern tickt, wenn es uns nicht gelingt, in den nächsten Jahren menschenwürdiges Leben in diesen Ländern zu organisieren, damit Fluchtursachen und damit eine nie dagewesene weltweite Völkerwanderung vermieden wird."
 
 

Roland Blank, Stadtdienstleiter Einkauf der Klingenstadt Solingen

"Mich hat die übereinstimmend positive Bewertung der jüngeren Entwicklung Bangladeschs überrascht, in der gerade die exportierende Textilindustrie eine wichtige Rolle spielt. Diese Entwicklung müsste eigentlich weiter unterstützt werden. Allerdings steht dazu das Instrumentarium des öffentlichen Einkauf im Widerspruch."
 
 

Josef Neumann, Mitglied des Landtags NRW

"Die Art und Weise, Konsum, Produktion und Vertrieb, in Europa, in Deutschland zu denken und zu praktizieren, hat erheblichen Einfluss auf die Lage in den Produktionsstätten vor Ort, hier: in Bangladesch. Wir bewegen uns in einer Verantwortungsgemeinschaft, die wirtschaftliches Handeln nicht isoliert lokal denken lässt."
 
 

Claudia Brück, Fairtrade Deutschland

"Keine einfache Reise. Trotz der Fortschritte der letzten vier Jahre kann es keine Entwarnung geben. Wir haben Vorzeigeprojekte gesehen, die vor Ort als nachhaltig gelten, wo jedoch kein existenzsichernder Lohn gezahlt wird. Gleichzeitig sieht man viele nicht vertrauenserweckend aussehende Gebäude, in denen Textilproduktion hinter verschlossenen Türen stattfindet, ohne die Berücksichtigung von Umwelt- und Sozialstandards. Andererseits: welche Alternativen haben Arbeiter*innen  in diesem dicht bevölkerten Land? Ein Boykott von Textilien aus Bangladesch wäre für alle Beteiligten die schlechteste Lösung. Wir müssen darauf hinwirken, dass Textilhändler, die in Deutschland verkaufen, nur bei Textilfabriken einkaufen, die sich explizit um eine verantwortungsbewusste Produktion bemühen – und mit ihnen gemeinsam den mühsamen Weg hin zu existenzsichernden Löhnen gehen."
 

Andrea Asch, Mitglied des Landtags NRW

"Sicherlich gibt es Bemühungen, Gebäudesicherheit und Brandschutz zu verbessern. Allerdings bleibt die soziale Situation unmenschlich. Der Mindestlohn von 61 Euro reicht nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten und zwingt die Menschen über der Belastungsgrenze zu arbeiten."
 
 
 

Renate Hendricks, Mitglied des Landtags NRW

"Tief beeindruckt bin ich von einem Land mit ca. 165 Mio. Menschen und der größten Bevölkerungsdichte. Dhaka, eine Stadt mit einem täglichen Zuwachs von 2000.  Deren Lebensbedingungen wir durch kontinuierliches Nachfragen und durch ein bewusstes Kaufverhalten deutlich verbessern könnten. Besonders hat mich die Arbeiterin aus der Lederproduktion beeindruckt, die die Zustände dort schilderte.  Es ist zu wünschen, dass die Bemühungen der Gewerkschaften nach einem ausreichenden flächendeckenden Mindestlohn Erfolg haben  mögen. Ich habe aber auch gelernt, dass die Antworten sehr komplex sind. Danke für die Erfahrungen, die ich sammeln durfte."
 

Was sagen die Gesprächspartner?

Botschafter Dr. Thomas Prinz, Deutsche Botschaft Dhaka

"Bangladesch ist der zweitgrößte Kleidungsproduzent der Welt. Vieles was wir in deutschen Läden kaufen, wird hier hergestellt. Lange galten die Arbeitsbedingungen als besonders schlimm. Das Rana Plaza Unglück im Jahr 2014 steht stellvertretend für die menschenverachtenden  Arbeitsbedingungen. Seit damals hat sich aber vieles zum Besseren entwickelt: Die für den Export produzierenden Fabriken  haben mittlerweile einen hohen Sicherheitsstandard erreicht. Die Mindestlöhne liegen über denen anderer Branchen. Dennoch bleibt viel zu tun. Die Bundesregierung ist zum Beispiel derzeit mit der ILO dabei, eine Unfallversicherung in der Textilbranche einzuführen. Ich begrüße es sehr, wenn Entscheidungsträger aus Deutschland sich von der vielschichtigen Lage im Land ein eigenes Bild machen. Als größter europäischer Abnehmer von Textilien aus Bangladesch haben wir die Möglichkeit, die Lage der Menschen in der Textilindustrie in Bangladesch langfristig zu verbessern."

Franziska Korn, Resident Representative Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) Bangladesh Office

"Diskussionen um bessere Arbeitsstandards in Bangladesch gibt es viele. Häufig liegt der Fokus auf den Arbeitsbedingungen und der Rechtslage im Land. Weniger drehen sich die Diskussionen, um den Beginn der Wertschöpfungskette und die Verantwortung der Käufer und Marken. Die Teilnehmer_innen der newtrade Delegation haben erfolgreich beides verbunden. Der Austausch zwischen NRW und ExpertInnen in Bangladesch hat gezeigt, welchen wichtigen Beitrag öffentliche nachhaltige Beschaffung leisten kann."
 

Sabine Balk

Ich habe die Reise nach Bangladesch als eine persönliche und berufliche Bereicherung erlebt. Mein Job ist es, über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zu- und Missstände in Entwicklungsländern und über Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit zu schreiben. Ein Land zu bereisen, das so wichtig in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ist wie Bangladesch, ist besonders wertvoll.

Ich habe die Reise als sehr gut vorbereitet erlebt. Das Programm war durchdacht und ausgewogen und alle Programmpunkte wurden vor Ort wie geplant durchgeführt. Das ist bei einem Verkehrschaos wie in Dhaka und den weiten Strecken eine Top-Leistung. Wir haben sowohl Vertreter der Industrie als auch von Arbeitnehmern getroffen und konnten uns aus erster Hand informieren. Interessant war auch das Treffen mit einem politischen Vertreter der Regierung. Er hatte ein sehr regierungsfreundliches und gewerkschaftskritisches Weltbild, was viel über die politischen Verhältnisse in Bangladesch aussagt. Es war ausreichend Zeit vorhanden, um einen Einblick in das jeweilige Thema der Gesprächspartner zu erhalten.

Es ist klar, dass von der EZ geförderte Betriebe, Vorzeigeunternehmen sind. Es ist dennoch sehr wichtig, diese Betriebe zu besichtigen, weil zu sehen ist, dass es Fortschritt im Bereich Arbeitssicherheit sowie Umwelt- und Sozialstandards gibt und nicht mehr die gesamte Textilindustrie in Bangladesch unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert. Dass die Arbeiter/innen selbst in diesen Betrieben relativ wenig verdienen, jedenfalls unter dem Existenzlohn, wurde aber auch deutlich. Dass es in Dhaka viele tausend informelle Textilfabriken gibt, wo keine Standards eingehalten werden, kam auch mehrfach zur Sprache.
Ich hatte im Vorfeld viel über die Zustände in Bangladesch und in Dhaka und in der Textilindustrie gelesen, weil wir in E+Z regelmäßig über Bangladesch berichten. Dies alles mit eigenen Augen zu sehen, den Smog und die schlechte Luft zu riechen, die Elendshütten zu sehen und die vielen Menschen auf den Straßen, kann dennoch mit keinem Artikel oder Buch aufgewogen werden. Ich möchte diese Erfahrung nicht missen.

Die Frage, was wir in den Industrieländern zur Verbesserung der Verhältnisse tun können ist schwer und doch leicht zu beantworten. Dass einflussreiche westliche NGOs zusammen mit den NGOs vor Ort kämpfen, damit sich an den Arbeits- und Lebensverhältnissen der Arbeiter/innen etwas ändert, ist ein Weg. Der Westen muss seine Geld- und Medienmacht dafür einsetzen, die Organisationen vor Ort zu stärken, die wiederum Druck auf Politik und Wirtschaft ausüben können. Außerdem muss sich die deutsche Politik in Bangladesch und bei den westlichen Textilunternehmen dafür stark machen, dass in allen Bereichen der Wertschöpfungskette existenzsichernde Löhne gezahlt werden, menschenwürdige Bedingungen herrschen und Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden. Den Medien kommt die Aufgabe zu, immer wieder über die Lebenswelt der Arbeiter in Entwicklungsländern zu berichten sowie über den Zusammenhang zwischen Billigstkleidung bei uns und Hungerlöhnen in den Produktionsländern. Es muss auf ein Verbraucherumdenken hingewirkt werden, dass die Menschen wieder bereit sind, mehr für Kleidung auszugeben und sich dafür stark machen, dass dieses Mehrgeld den Arbeiter/innen und nicht der Industrie zugute kommt.

Auch die öffentlich Hand kann dafür etwas tun. Mit dem großen Volumen der öffentlichen Beschaffung kann sie Einfluss ausüben. Wenn Kommunen und Städte die Unternehmen, bei denen sie einkaufen, dazu verpflichten, Sozial- und Umweltstandards einzuhalten und faire Löhne zu zahlen, werden diese Unternehmen in diese Richtung tätig werden. Die öffentliche Hand hat geradezu die Verpflichtung und die Vorbildfunktion, ihre Beschaffung nachhaltig zu gestalten. Dass NRW dazu eine Agentur wie newtrade gegründet hat, ist ein richtiger Schritt, den sich andere Bundesländer zum Vorbild nehmen müssten. Newtrade sollte weiter in diese Richtung tätig werden und das Gespräch mit der Wirtschaft suchen. Die Agentur sollte vermehrt den Dialog zwischen Politik und Unternehmen vorantreiben.
 

Alexandra Ringendahl

Bangladesch: Das einzige, das ich mit diesem kleinen Land, in dem sich auf einer Fläche doppelt so groß wie Bayern 160 Millionen Einwohner drängen,  vor der Reise verband, waren Etiketten. „Made in Bangladesch“  prangt in den T-Shirts und Sommerkleidchen meiner beiden Töchter. Und die Erinnerung an die Fernsehbilder von Rana Plaza – diesen Moment als die Welt für einen Augenblick entsetzt innehielt: 1127 Näherinnen mussten in den Trümmern der einsturzgefährdeten Fabrik sterben, weil der unter Zeitdruck stehende Besitzer darauf bestand, dass sie einen Auftrag fertigstellen. Kinder verloren ihre Eltern, weil  unsere billigen Kleider just in time in den Läden liegen sollten. Wir erfahren von den ausbeuterischen Strukturen der Textilindustrie nur, wenn mal wieder ein Unglück passiert. Zurück bleiben ein schlechtes Gewissen und Ratslosigkeit: Wie kann ich so konsumieren, dass ich solche Strukturen nicht unterstütze? Dass für  die von mir gekaufte Kleidung keine Näherin für einen Hungerlohn vor Erschöpfung hinter der Maschine zusammenbrechen muss. Und: Hat der Scheinwerfer, den die Welt durch Rana Plaza auf die dortige Textilindustrie gerichtet hat, die Bedingungen dort verbessert?

Statt Antworten auf diese Fragen, vermittelt die Reise zunächst vor allem eindringliche sinnliche Eindrücke: Die schier unzählig vielen Menschen, die in diesem stickigen 16-Millionen-Moloch Dhaka Tag und Nacht geschäftig durch die Straßen ziehen. Jeden Tag kommen 2000 hinzu.  Oft Binnenflüchtlinge, die ihre Existenz auf dem Dorf durch sich fast jährlich wiederholende Naturkatastrophen verloren haben. Bitterarm  hausen sie in überteuerten Wellblechhütten ohne fließendes Wasser, arbeiten bis zur totalen Erschöpfung. Getrieben von der Hoffnung auf ein Auskommen in einer der mehr als 4000 Textilfabriken der Hauptstadt. Gewillt, alles auf sich zu nehmen. Sind wir für diese 3,5 Millionen Menschen, die in Bangladesch unsere Kleidung nähen, Fluch oder Segen?

Ich sehe auf unserer Reise Hunderte Näherinnen in den Fabriken, mit eben besagten Sommerkleidchen meiner Töchter vor sich an der Maschine. Kleidung, die sie selbst nie tragen würden und die sie sich niemals leisten könnten. Ich sehe die Ikea-Bettwäsche meiner Kinder über lange Bänder laufen. Da war es wieder, aber diesmal viel unmittelbarer als beim Einkauf in einer H&M-Filiale in Köln: Das diffuse Gefühl von Scham dafür, dass hier Menschen im Akkord unsere billige Wohlstandsware produzieren, weil es ihre einzige Chance ist. Das Gefühl, dass bei der Globalisierung etwas grundlegend falsch läuft.

Gelernt habe ich – wieder mal - , dass es einen so entscheidenden wie nachhaltigen Unterschied macht, Menschen und Umstände wirklich sinnlich wahrzunehmen, mich mit ihnen zu konfrontieren, statt nur von ihnen zu wissen. Das hier, das geht mich an. Und: Alles hängt mit allem zusammen. Unsere „Fast Fashion“ mit 20 Kilo Kleiderkonsum in Europa pro Kopf und Jahr und der Druck auf die Arbeiterinnen, das alles im Akkord und mit Überstunden fertigzustellen. Gelernt habe ich – ebenfalls wieder einmal -, dass es auch hier weder einfache  Antworten noch einfache Lösungen gibt. Es gibt nicht schwarz oder weiß, dafür ganz viel grau: In den Vorzeigefabriken, die wir betreten durften, werden die  Shirts von Lidl und H &M an den gleichen Maschinen genäht wie die von Esprit. Ergo: Hohe Preise sind kein Indikator für faire Löhne. Und wer hier in der Vorzeigefabrik produzieren lässt, die sich um Verbesserung des Arbeitsschutzes ebenso kümmert wie um bessere Löhne, der lässt vielleicht auch in der Ausbeuterfabrik nebenan unter ganz anderen Bedingungen produzieren. Das Problem ist neben der riesigen Zahl der Fabriken die endlose Lieferkette, die von der Baumwollproduktion über Dutzende Produktionsschritte bis zur Näherin schier unübersichtlich ist und an jeder Stelle Ausbeutung ermöglicht. Die undurchsichtige Lieferkette ist es auch, die eine Kennzeichnung mit einem fairen Label so schwer macht. Gelernt habe ich auch, dass die Menschen hier auf eine noch viel unbarmherzigere und existentiellere Art Getriebene sind als wir. Getriebene des Marktes. Und zwar nicht nur die Arbeiter, deren hart erkämpfter moderat gestiegener Mindestlohn durch Inflation und immer höhere Mieten wieder aufgefressen wird. Auch  die Fabrikbesitzer werden zerrieben zwischen der Forderung nach einem steigenden Mindestlohn für die Arbeiter, dem Preisverfall auf dem Textilmarkt und der noch billigeren Konkurrenz in Äthiopien oder Myanmar.

Das, was politisch zu tun wäre, ist dagegen sonnenklar. Zumindest in der Theorie: Die Industrieländer müssten gesetzlich eine Transparenz in der Lieferkette einfordern, um Ausbeutung an jeder Stelle des Produktionsprozesses zu verhindern. Erst dann wäre ein verlässliches Textil-Siegel in der Massenproduktion möglich. So wie man bei der Fair-Trade-Banane bis auf die exakte Bananenplantage im Anbauland die Lieferkette nachvollziehen kann, muss das auch bei der ungleich komplexeren Bekleidung Pflicht werden. Der Markt alleine schafft das nicht. Eine Selbstverpflichtung, wie im von Entwicklungsminister Gerd Müller initiierten Textilbündnis reicht nicht. Sie hat noch nie gereicht, weder beim Klimaschutz noch bei der Frauenquote. Die zweite Kernforderung ist die politische Festlegung globaler, länderübergreifender Mindestlöhne, damit Länder wie Bangladesch gegenüber Äthiopien oder Myanmar keine Wettbewerbsnachteile fürchten müssen, wenn sie fairere Löhne zahlen.

Weil das alles politisch einstweilen nicht in Sicht ist, ist das Vorbild der öffentlichen Hand so wichtig. Wer jährlich 370 Milliarden Euro für die öffentliche Beschaffung von Gütern – von der Uniform der Polizisten bis zum Arbeitsanzug der Gärtner in den Kommunen – ausgibt, der hat eine Marktmacht. Und eine Verantwortung. Wer sich – wie newtrade NRW - vor Ort an den Produktionsstätten in Bangladesch von den Standards bei Arbeitssicherheit und Löhnen überzeugt, der kommt dieser Verantwortung nach.  Und rückt ab von der ausschließlich marktgetriebenen Philosophie „Hauptsache billig“. Städte wie  Bonn, die sich auf diese Art als nachhaltige Stadt positionieren wollen, können als Leuchttürme und Vorbild für andere wirken. Was jetzt noch zu tun wäre: Weiter machen und öffentlich darüber reden.
 

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