
Dialogreise nach Bangladesch
Perspektiven für nachhaltige öffentliche Beschaffung
Für eine erfolgreiche Umsetzung einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung braucht es den Einblick in die Lieferketten der zu beschaffenden Produkte. Ein Beispiel dafür ist die Textil- und Bekleidungsindustrie. Wer ökologische und soziale Standards einhalten will, muss die Herkunft der zu beschaffenden Produkte kennen, vom Anbau der Baumwolle über die Herstellung der Vorprodukte wie Stoffe und Garne bis zur Verarbeitung in Nähereien und zum Transport nach Europa.
Im Februar 2017 organisierte newtrade nrw daher, gemeinsam mit der Deutschen Botschaft in Dhaka und der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), eine Dialogreise nach Bangladesch. Im Fokus standen die Sozial- und Arbeitsstandards im Textil- und Bekleidungssektor, insbesondere aus der Perspektive nachhaltiger öffentlicher Beschaffung.
Die Reisegruppe setzte sich aus politischen Entscheidungsträgern, Praktikern und Experten zum Thema zusammen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten die Gelegenheit, sich die Verhältnisse vor Ort anzuschauen und mit verschiedenen Interessensgruppen in Kontakt zu kommen. Zu den Gesprächspartnern der Delegation gehörten Fabrikbesitzer und institutionelle Dialogpartner, darunter Einrichtungen von Regierungsseite, aus der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft sowie Think Tanks und deutsche Organisationen.
Ziel der Reise war es, den Teilnehmern und den Teilnehmerinnen der Delegation, neue Erkenntnisse zu den Arbeitsbedingungen und der Rolle und möglichen Wirkung von Nachhaltigkeitsstandards im öffentlichen Einkauf zu vermitteln. Bei allen Gesprächen wurde deutlich, dass die öffentliche Aufmerksamkeit seit dem Unglück von Rana Plaza 2013, bei dem mehr als 1.000 Menschen starben, zu Verbesserungen bei Auftraggebern und ihren Produzenten vor Ort sowie bei der Umsetzung der Arbeitsgesetzgebung in Bangladesch geführt hat.
Die positiven Entwicklungen in Bezug auf Nachhaltigkeitsstandards in Bangladesch sind in erster Linie das Ergebnis von gestiegenen Anforderungen der Importeure.
Hieran zeigen sich zum einen die Wirksamkeit von Veränderungen der Nachfrage und zum anderen das Potential einer konsequenten Nachhaltigkeit der öffentlichen Beschaffung, als gewichtiger Teil dieser Nachfrage.
Trotz der großen Fortschritte in den Jahren nach Rana Plaza existieren in Bangladesch Zielkonflikte in Bezug auf die Einhaltung von Arbeits- und Sozialstandards sowie ökologische Nachhaltigkeitsziele. Zum einen zwischen den Interessen der Fabrikbesitzer und denen der Arbeiter, zum anderen auch zwischen den von der Regierung gesetzten politischen Vorgaben zu schnellem Wirtschaftswachstum und den Anforderungen an höhere Nachhaltigkeitsstandards.
Die aktuellen Streiks und Proteste im Land sind Indikatoren für anhaltende Probleme, die die Delegation mit Gewerkschafterinnen und Think Tanks in Dhaka erörtert hat. Deren Lösung liegt nicht alleine in der Verantwortung der Regierung in Bangladesch, sondern auch bei den Einkäufern, Marken und Produzenten, die für gerechte Entlohnung und die Einhaltung von Sicherheits-, Sozial- und Umweltstandards entlang ihrer Lieferketten sorgen müssen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Durch unsere Reise konnte vor Ort in Bangladesch weitere Aufmerksamkeit für das Thema generiert und ein klares Signal für die steigende Bedeutung von Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung in NRW gesetzt werden. |